Die Coronaviruskrise hat auch in der Ukraine zu einer Verlagerung des Universitätslebens in den digitalen Raum geführt. Vorlesungen, Seminare und Prüfungen aber auch Infoveranstaltungen für Abiturienten sowie das kulturelle Leben finden fast ausschließlich online statt. Obgleich die Umstellung im Gegensatz zu Deutschland im laufenden Semester erfolgen musste, haben sich die Studierenden und Lehrenden schnell und gut auf die neue Situation eingestellt. Aus der Beobachterperspektive ist es spannend zu sehen, dass in Bayreuth vor allem auf asynchrone Lösungen wie die Videoplattform Panopto gesetzt wird, während in Lwiw synchrone Ansätze dominieren.
Unterstützung durch Selbstlernmaterialien in Zeiten der Corona-Krise
Die Umstellung auf Fernunterricht und die Reiseeinschränkungen haben natürlich auch für Learnopolis Veränderungen zur Folge. Da die geplanten Präsenzfortbildungen zu digitalen Ressourcen und auch ein Gastaufenthalt in Lwiw von Anja Hager und Paul Dölle aus dem Fortbildungszentrum für Hochschullehre der Uni Bayreuth abgesagt werden mussten, haben wir uns vor allem darauf konzentriert, Selbstlernmaterialien in ukrainischer Sprache zu erstellen: Eine umfangreiche Sammlung zu Empfehlungen, Formaten und Ressourcen für digitale Lehr-Lern-Prozesse sowie Videotutorials. 18 kurze Videolektionen, bei denen wir auf umfangreiche Vorarbeiten und die Unterstützung von Herrn Buschtschak und seinen Studierenden aus der pädagogischen Fakultät der Lwiwer Universität zurückgreifen konnten, demonstrieren die Arbeit mit der Plattform Moodle und ihren Funktionen. Besonders nachgefragt ist hierbei die Testfunktion. Weitere Videos demonstrieren die Aufnahme von Vorlesungen, Livestreaming sowie den Einsatz von Smartphones als Dokumentenkamera.
Empirische Umfrage zu digitalen Lehr-Lern-Ressourcen
Bei den weiteren Lektionen und der Ausgestaltung des Projekts orientieren wir uns an der im Januar durchgeführten empirischen Umfrage zum Einsatz digitaler Lehr-Lern-Instrumente an der Lwiwer Nationalen Iwan-Franko-Universität. Hier zeigt sich, dass eine große Bereitschaft zum Einsatz digitaler Instrumente herrscht und das Interesse vor allem der Plattform Moodle, dem Einsatz von Videos, der automatischen Plagiatsprüfung und dem Einsatz von Open Educational Ressources gilt. Die Coronakrise führt dabei auch zu einer beschleunigten Digitalisierung. Während bei der Umfrage im Januar noch über zwei Drittel angaben, bisher nicht mit dem neuen Campusmanagementsystem Dekanat gearbeitet zu haben, steigt hier – ebenso wie bei Moodle – der Einsatz rasant.
Herausforderungen durch Reisebeschränkungen
Obgleich die interne Zusammenarbeit via Zoom, GoogleDocs und Messenger gut funktioniert, treffen uns die Einschränkungen vor allem dadurch, dass die beschaffte Hard- und Software nicht in vollem Umfang eingesetzt werden kann. Einerseits weil Veranstaltungen in Unterrichtsräumen, in denen die Software installiert wurde, nicht möglich sind, andererseits weil manche Hardware sich leider noch in Bayreuth befindet und erst bei der nächsten Reisemöglichkeit nach Lwiw gebracht und installiert werden kann.
Der DAAD ermöglicht es, das Projekt flexibel an die Coronakrise anzupassen. Dadurch war es für uns möglich (nach Bayreuther Vorbild) einen Universitätspreis für exzellente, digital unterstütze Lehre auszurufen, auf den sich Dozierende der Lwiwer Universität bewerben können. Die Auswahl des Siegers erfolgt zweistufig: Zunächst erstellt eine Expertenkommission eine Shortlist aus 5 Einsendungen, aus denen dann im zweiten Schritt der Studierendenrat den ersten Platz bestimmt.
Vorträge und Beratung
Learnopolis versteht sich auch als feste Anlaufstelle zu Fragen der Digitalisierung und Internationalisierung, die kurzfristig Unterstützung anbieten kann und sich ständig weiter vernetzen möchte. Daher waren wir bei verschiedenen Veranstaltungen wie der Lehrinnenfortbildung “Translationsunterricht als Demokratieunterricht” involviert, die von der Hanns-Seidel-Stiftung Kyjiw und dem Ukrainischen Deutschlehrer und Germanistenverbandes organisiert wurde. Dabei haben drei Projektbeteiligte Vorträge gehalten (zu den Themen Politisch-historische Bildung, Gender und Fake-News) und Learnopolis hat sich um die technische Umsetzung mit Zoom und Moodle gekümmert. Während der Online-Tagung „Geisteswissenschaften im Zeitalter der Digitalisierung“ im Rahmen des Alumni-Netzwerks Ukraine-Deutschland hat Oksana Molderf unser Projekt mit seinen Aktivitäten vorgestellt und in allgemeine Digitalisierungsprozesse in der Ukraine eingebettet. Auch bei der ausschließlich virtuell durchgeführten Akkreditierung des Bachelorstudiengangs des Lehrstuhls Interkulturelle Kommunikation konnte Projektleiter Nicolai Teufel teilnehmen und die Kommission kurz über das Projekt informieren. Ferner haben wir die Abteilung für Marketing und Kommunikation bei der Informationsgewinnung zum Thema “Duale Bildung” unterstützt und Prorektor Dr. Kucharskij Empfehlungen für die Einrichtungen eines Mini-Videostudios gegeben.
Ein Blick nach vorne
Zwar hat die Coronakrise ganz unerwartet das Thema Digitalisierung in den Vordergrund gerückt, aber wir hoffen umso mehr auf eine baldige Entspannung der Situation, weil wir sehr darauf warten, aufgeschobene und neue Ideen umzusetzen. Darüber hinaus sollen unsere Module zur fachbezogenen Zusammenarbeit mitsamt Austauschphase im Wintersemester stattfinden und wir möchten daher auch verstärkt das Thema Internationalisierung in den Blick nehmen. So spannend es auch sein kann, sich in Sekundenschnelle in eine Konferenz an einem ganz anderen Ort einwählen zu können, so lebt internationale Zusammenarbeit doch vom persönlichen Kontakt und den Eindrücken vor Ort. Deutlich gemacht hat dies eine freiwillige Studienreise nach Kraków und Auschwitz von Studierenden des Lehrstuhls für Interkulturelle Kommunikation und Translationswissenschaft, die Oksana Molderf und Nicolai Teufel im Februar organisiert haben. Nachlesen und nachhören kann man dies auf dem Exkursionsblog und in den Videobotschaften der Studierenden.
Titelbild: Canva